spur im schnee


 

 

es war ein schönes gefühl für ihn, wanderungen in einer verschneiten landschaft zu unternehmen. im neuschnee zu waten und seine eigenen spuren zu ziehen war das größte für ihn.

an diesem morgen war er wieder unterwegs.

knöcheltiefer neuschnee, verschneite baumwipfel, blauer himmel, einfach ein perfekter tag.

er spürte richtig, wie das leben in ihm pulsierte, während er mit den füßen im tiefschnee stapfte.

manchmal blickte er auch zurück, um seine eigene spur in dieser bis dahin noch unberührten landschaft zu betrachten. er lächelte und war sehr zufrieden.

 

 

doch plötzlich war sie da - sie kam von rechts und führte genau auf dem weg weiter, den er gehen wollte - eine spur im schnee.

wem gehörte sie wohl? 

egal - sie war da und mit ihr auch das gefühl in ihm, das immer wieder auftauchte.

sein ehrgeiz.

er wusste nicht, um wieviel früher der urheber der spur vor ihm war, ob er wirklich den selben weg hatte aber er verspürte den brennenden ehrgeiz, ihn einzuholen.

 

seine schritte wurden schneller und seine aufmerksamkeit für die natur wurde geringer und geringer. im selben maße verlor er auch die aufmerksamkeit für sich selbst.

er merkte nicht wie seine atemzüge kürzer und kürzer wurden und seine lungen nicht mehr ausreichend mit luft gefüllt werden konnten.

er spürte sich nicht mehr richtig, weil er von brennendem eifer getrieben, seinen rivalen einholen und ihn triumphierend überholen wollte.

die luft fing an, in seinen lungen zu brennen, doch er konnte noch immer niemanden vor sich sehen.

nun merkte er, wie seine wut in ihm aufstieg.

wie er sich darüber ärgerte, dass er doch zu wenig kondition hätte, dass er immer wieder ausrutschte, dass er nicht mehr der erste war.

 

dann in dem moment, als er vor überlastung keinen klaren gedanken mehr fassen konnte und er sein vorhaben aufgab, erkannte er, dass er seine gelassenheit und innere ruhe verloren hatte.

er war opfer seines eigenen charakterzuges geworden.

der begriff "brennender ehrgeiz" wurde ihm in form seiner lunge klar präsentiert.

er erkannte, dass er durch das druckmachen immer wieder ausrutschte und nicht mehr wirklich unbeschwert vorwärts kam.

immer wieder erster sein zu wollen, wurde für ihn zu einem täglichen wettlauf - auch gegen jemanden, den er nicht einmal sah.

 

so erkannte er dann auch, dass immer nur er selbst sein gegner war.

das war der moment, wo er sich entschloss, sich selbst zum freund zu machen.

 

 

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