zwei herzen


 

 

er spürte schon seit seiner kindheit, dass in seiner brust zwei herzen schlugen.

das eine war mutig und stark, das andere ängstlich und schwach.

 

er fühlte sich sicher, ausgeglichen, ruhig - stand irgendwie über den dingen und nichts konnte ihn aus der fassung bringen, wenn sein starkes herz das blut durch seine adern pulsieren ließ.

 

ganz anders war es jedoch, wenn ängstlichkeit der motor seines herzens war. unsicherheit in vielen dingen, die er tat - eine nicht erklärbare unruhe und wankelmütigkeit waren dann seine treuen wegbegleiter.

 

er mochte diesen schwachen, verletzlichen teil nicht und wollte ihn los werden, indem er sich mit verschiedensten dingen beschäftigte, die in ihm die kraft wachsen lassen und stabilisieren sollten.

dennoch kam dieser schwache, ängstliche teil immer wieder zum vorschein.

 

eines tages erzählte er dies, was ihn so sehr beschäftigte, seinem freund. dieser hörte ihm genau zu und begann anschließend mit einer geschichte.

 

"im dschungel lebte ein gorilla mit seiner gruppe. alle respektierten und gehorchten ihm, denn er war durch seine kraft, erfahrung und weisheit zum oberhaupt der gruppe  geworden. er war sich seiner stärke bewusst, nützte sie aber niemals aus, sondern setzte sie stets zum schutz der gruppe ein. 

 

als er wieder einmal auf seiner anhöhe saß, von der aus er sein ganzes revier überblicken konnte, hörte er ein rascheln und eine zarte stimme, die immer wieder rief:"nein, schrecklich, wir dürfen nicht so einen lärm machen".

der silberrücken sah den kleinen hasen, den er schon lange kannte.

er fragte ihn:"kleiner freund - was ist denn los mit dir? wovor hast du denn angst?"

der hase antwortete, "ich weiß nicht genau, aber wenn einmal jemand kommt und uns überfällt, dann... nein, schrecklich!" und verschwand wieder im dickicht.

der gorilla lächelte und schloss entspannt seine augen und genoss die abendsonne.

 

in den vielen begegnungen, die der gorilla mit dem kleinen hasen hatte, versuchte er ihn immer wieder zu beruhigen, indem er ihm sagte, dass er ihn beschützen würde.

doch es half alles nichts.

 

eines tages war die ganze gruppe bei der futtersuche, als der kleine hase wieder ganz aufgelöst herumrannte und rief:"sie kommen, sie kommen - mit langen stecken!"

die gorillas der gruppe ignorierten den kleinen angsthasen, doch der silberrücken erkannte, dass heute etwas anders war, denn der hase schien noch aufgelöster zu sein als sonst.

 

er fasste den hasen, hob ihn hoch und fragte ihn:"was ist mit dir heute los?" 

der hase entgegnete:"sie kommen mit langen stecken, wir müssen leise sein."

 

da der gorilla den hasen schon lange kannte und ihn noch nie so gesehen hatte, beschloss er seine gruppe aufzufordern, sich in den dichten baumkronen zu verstecken.

er nahm den kleinen hasen mit sich und versteckte sich ebenfalls.

 

kurze zeit später sah er eine gruppe von menschen, die sich vorsichtig durchs dickicht bewegte und immer näher kam. sie machten langsame bewegungen und versuchten bei ihren schritten keinen lärm zu machen. sie waren eindeutig auf der suche nach irgendetwas. 

als sie bereits ganz nahe waren, erkannte der silberrücken, dass sie keine stecken, sondern gewehre in den händen hielten und über die rucksäcke, die sie trugen, hingen ... gorillafelle."

 

er sah seinen freund an und bedankte sich für die geschichte.

 

zum ersten mal empfand er wertschätzung für den teil in sich, der zu ihm gehörte und ihn vor den gefahren bewahrte, die er vielleicht ohne ihn nicht erkennen würde.

 

 

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