außer sich


 

 

er saß in einem café und genoss seine freizeit.

bei einer torte und einem köstlichen tee reflektierte er über sein leben. 

er war in der lage, den moment voll zu genießen und dabei weder seinem körper noch seinem geist irgendwelche einschränkungen zu machen.

 

dadurch, dass er sich selbst sehr gut kannte, konnte er jede kleine veränderung an sich wahrnehmen.

er ließ sich nicht mehr, so wie früher, von diesen ständig stattfindenden und oft unerwünschten veränderungen ganz und gar einnehmen.

war ihnen nicht mehr scheinbar hilflos ausgeliefert. sein leben wurde nicht mehr von ihnen bestimmt, indem er sich damit beschäftigte, wie er den alten, gewohnten und sicheren Zustand wieder herstellen konnte.

er war offen gegenüber diesen veränderungen des lebens geworden und spürte gelassenheit und ausgeglichenheit in sich.

 

seine freunde und bekannten kamen häufig zu ihm, um ihn um rat zu fragen, wenn sie in ihren lebenssituationen nicht mehr weiter wussten. er war für alle der ruhige und gelassene freund, den scheinbar nichts erschüttern konnte.

bei diesem gedanken musste er lächeln, denn er wusste, wie es in ihm auch manchmal aussah.

er spürte - wie andere auch - groll, zorn, neid, trauer, freude, aber er nahm all diese gemütszustände in sich wahr, ließ sie das sein, was sie waren und konnte daher oft neutral reagieren, wo andere opfer ihrer gefühlswelt wurden. 

 

als er die jugendlichen am nachbartisch betrachtete, fiel ihm ein, wie oft er doch außer sich war, wenn die lautstärke und das unaufhörliche gerede seine vermeintliche "innere stille" störte.

er war dann oft geneigt aufzustehen und zu gehen, oder einfach nur innerlich kochend auszuharren.

häufig schienen die "unruhestifter" seinen scheinbaren schwachpunkt dann auch noch zu bemerken und immer lauter und eindringlicher zu werden.

 

doch heute saß er da und beobachtete sie neutral, ohne die situation für sich in eine gute oder schlechte einzuteilen.

er lauschte ihren gesprächen und schmunzelte über ihre jugendliche energie und blieb dennoch ganz bei sich.

manchmal wurde sein zufriedenes lächeln bemerkt, worauf ihn ebenfalls lächelnde blicke trafen.

 

als die jugendlichen das café verließen, verabschiedete sich genau der, den er früher als den redelsführer bezeichnet hätte, der, der ihm am unangenehmsten aufgefallen wäre mit einer höflich, nickenden geste.

 

er nickte ebenso höflich und mit einem lächeln zurück.

 

 

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